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Rosa-Buchthal-Straße 79
44135 Dortmund
Eine gute Erklärung
hilft gutem Design
Aus Nullnummer #3
Zeitung des Fachbereichs Design der Fachhochschule Dortmund
2022/23
Caroline Villis und Jonas Herfurth
Interview: Christian Caravante
Caroline Villis und Jonas Herfurth unterrichten an der FH-Dortmund am Fachbereich Design die Grundlagen des Kommunikationsdesigns. Im Interview berichten sie, warum für Studierende gerade die intensive Beschäftigung mit den Grundlagen die Voraussetzung für wirklich eigenständige und gut durchdachte Projekte ist. Sie erklären, wie aus Spezialisten Generalisten werden und warum über seine Arbeit tiefgründig sprechen zu können, genauso wichtig ist wie der Entwurf selbst. Außerdem, warum manchmal am Fließband zu entwerfen besser als viel Nachdenken oder warum Deadline-Druck genauso dienlich wie überausreichend Zeit sein kann.
Caroline und Jonas sind Mitgründer des Ten Ten Teams, das in Dortmund Designlösungen mit Auftraggebern aus Kultur und Wirtschaft kreiert. Sie planen, konzipieren und realisieren komplexe Projekte im Spannungsfeld zwischen Information und Emotion – immer mit höchstem Anspruch an Inhalt und Form.
Zählt noch bitte auf, mit welchen Grundlagenthemen ihr Euch im Kurs beschäftigt.
Caroline Villis: Typografie und Bild-Text Komposition.
Jonas Herfurth: Die Komposition - also verschiedene Elemente zu einander anordnen und ihre visuellen Eigenschaften und Wechselwirkung erfassen. Harmonie, Kontrast durch Formensprache, Größe, Abstände, die richtige Position …
Wie zeigt man Studierenden, dass es auf jedes Detail ankommt und gleichzeitig eine Vielzahl möglicher Antworten existiert?
J: Ein erster Aha-Moment ist oft eine Übung, die ich gleich in der ersten Woche mache: sie sollen eine quadratische Fläche in drei Teile zerlegen. Auch wenn es profan klingt - die Studierenden erkennen schnell die schier unendliche Anzahl möglicher Antworten zu der Aufgabenstellung. Und über jede kann man sehr lang sprechen, wenn man will. Das ist der Aha-Moment: In so wenig steckt schon sehr viel.
C: Bei den typografischen Grundlagen mache ich eine ähnliche Übung. Da sollen die Studierenden beim Wort TYPOGRAFIE die Abstände zwischen den Buchstaben optimieren. Das wird erstmal belächelt. Aber wenn sie dann die 15 bis 35 Versionen ausgedruckt vor sich sehen und wir die besprechen, erkenne sie die vielen Details und Variationen und dass man Entscheidungen treffen muss, die überhaupt nicht leicht sind. Solche Übungen öffnen ihnen die Augen. Denn es gibt immer sehr viele Lösungen für dieselbe Aufgabenstellung.
Welchen Bereiche der Grundlagen seht ihr besonders im Bewegung im Moment?
C: Ich glaube die klassischen Grundlagen, Typografie, Rhythmus und Proportionen, Gestaltungsmuster, Kontraste usw. - sind nicht so stark im Wandel. Aber die Anwendung dieser Grundlagen ist in permanenter Veränderung und stark abhängig von Medium und Technik. Um es richtig umzusetzen, muss man das Ganze erstmal sehen und dann begreifen lernen. Wir veranstalten deshalb eine Art Grafikdesign Sehschule.
J: Es gibt ein tradiertes Regelwerk. Das muss man sich zunächst erarbeiten, um dann in einem zweiten Schritt über die Bewältigung von konkreten Gestaltungsaufgaben zu sprechen. Erst muss man die Regeln kennen, anwenden lernen und verstehen, wie was wirkt, bevor man es anders macht. Und wenn man es dann anders macht, muss die Frage nach dem Warum auch erlaubt sein.
C: Gerade die Typografie hat ein recht festes Regelwerk. Ich erkläre in meiner Kursbeschreibung, dass man diese Regeln eben erstmal kennen muss, um sie brechen zu können. Aber die Ideen finden trotz der Freiheit, Regeln auch zu brechen, zu Beginn innerhalb dieses Regelrahmens statt.
„Um es richtig umzusetzen, muss man das Ganze erstmal sehen und dann begreifen lernen. Wir veranstalten deshalb eine Art Grafikdesign Sehschule.“
Ihr wollt die Studierenden fit machen für die kommenden Semester und ihnen positive Erfahrungen ermöglichen. Wie macht ihr das?
J: Positiv wirkt immer ein echtes Ergebnis ihres Nachdenkens und dessen Umsetzung im Kurs. Wir versuchen deshalb, die Arbeit in ein echtes Medium zu überführen: Letztes Jahr haben wir ein Buch, also ein komplettes Produkt, gemacht. Und im besten Fall kombinieren wir das mit einer Ausstellung. Da wird’s dann ernst und das Ganze bekommt noch eine andere Wertigkeit. Die Studierenden erkennen: Was du machst, wird gesehen.
C: Viele Studierende haben durch die Ausstellung und das Buchprojekt zum ersten mal ein direktes Feedback auf ihre Arbeiten bekommen. Wir glauben, dass es ihnen viel Spaß gemacht hat, zeigen zu können, dass sie hinter ihrer Arbeit stehen. Wir Designer und Designerinnen machen unsere Arbeit ja im besten Fall für ein Publikum und wollen zeigen, was wir uns überlegt haben.
Neben den fachlichen Grundlagen, womit sollten sich Studierende beschäftigen, um die passende Antworten auf ein Gestaltungsprojekt zu finden?
C: Als allererstes muss man sich intensiv mit dem eigenen Berufsfeld beschäftigen, weil das schon so vielfältig ist. Dann muss man sich mit dem beschäftigen, was aktuell dort passiert, aber auch, was es schon alles gab. Zum Glück hat das Fach eine recht kurze Historie, die man gut recherchieren und sich erarbeiten kann. Und dazu muss man sich auch mit Kunst, Musik, Architektur, Mode oder Produktdesign beschäftigen, je nachdem, welches Berufsfeld man anstrebt. Kurz gesagt: Mit offenen Augen durchs Leben gehen und alles mitnehmen, was um einen herum passiert.
J: Ein guter Designer oder eine gute Designerin ist im Grunde ein Generalist, mit Einblick in viele Disziplinen und Themen und einem guten Überblick über das Zeitgeschehen. Daraus holt man Inspiration und Gestaltungsansätze. Hier entsteht die eigene Haltung! Und in der Annahme, dass wir Generalisten sind, steckt auch auch die Struktur unserer Seminare - in denen wir die Studierenden trotzdem zunächst zu Spezialisten machen: Spezialisten für visuelles Kommunizieren. Dafür fokussieren wir den Blick erstmal eng auf die Grundlagen, also Form, Flächen, Proportionen, Typografie usw. Danach kann man wieder aufmachen, den Blick erweitern und die bereits vorhandenen Erfahrungen und Interessen der Studierenden in Projekte einfliessen lassen.
„Wir wollen den Studierenden Techniken beibringen, die unterschiedliche Wege der Lösung ermöglichen, also unterschiedliche Methoden der Formfindung.“
Wie lernen die Studierenden, auf eigene Ideen zu kommen?
J: Ich entwickle z.B. Aufgabenstellungen, die man regelbezogen beantworten kann oder in der Besprechung auf jeden Fall mit den erlernten Regeln herleiten kann. Andere Aufgaben zielen eher darauf, Dinge konzeptionell zu beantworten. Also Ideenfindung zu betreiben. Ganz oft geht es um Wiederholung, also dass man auf eine Frage, mehrere unterschiedliche Antworten entwickelt, um dann zu sagen, das ist jetzt das Beste. Wir wollen den Studierenden Techniken beibringen, die unterschiedliche Wege der Lösung ermöglichen, also unterschiedliche Methoden der Formfindung.
Ihr habt gesagt, „Nachdenken ist wichtig, aber nur als „Vorstufe“, die meisten Antworten würden im Prozess selbst liegen. Wie lernen die Studierenden ins Machen zu kommen?
J: Indem wir Quantität einfordern!
C: Vielen Studierenden muss man am Anfang sagen: So mach mal hier zehn Seiten, also viele kleine Schritte, um eine Lösung zu finden. Das hilft besonders denen, die sich über zu lange Zeit an einer Sache festdenken und nicht weiterkommen. Das kann man auch sehr gut als Fingerübung im Kurs machen, die man so oft wiederholt, bis das Machen lockerer wird. Sie finden die Lösung also, indem sie unterschiedliche Arbeitsmethoden ausprobieren.
Ist Kreativität unter Druck effizienter? Oder Gelassenheit und viel Zeit zum Ausprobieren und Nachdenken?
J: Das geht Hand in Hand. Gute Gestaltung braucht Zeit, aber das heißt nicht, dass man kontinuierlich an einer Sache arbeitet. Manches lasse ich auch bewusst eine Weile liegen, um mit frischem Blick wieder draufschauen zu können. Das kann man sich allerdings während des Studiums besser erlauben als im Berufsleben. Ich bin trotzdem deutlich effektiver, wenn die Uhr tickt. Das hilft mir, Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, ich bin da nicht kreativer, sondern ich mach einfach den Sack irgendwann zu.
C: Man muss bei den Studierenden ein Bewusstsein für Zeitmanagement schaffen, und ihnen sagen: ihr habt da jetzt wirklich viel Zeit. Und bei einer anderen Aufgabe, wird es dagegen sportlich. Unserer Erfahrung nach hilft es, am Anfang den Zeitplan ganz klar vorzugeben und erst am Ende des Semesters ein bisschen mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Wenn man die Zeitvorgaben abrupt freigibt und nicht allmählich zurückbaut, kommen einige ganz schön ins Schleudern. Ohne ein Bewusstsein für die privilegierte Situation während des Studiums, können sie die Zeit gar nicht nutzen lernen oder ein eigenes Zeitmanagement entwicklen.
„Was hilft, ist die eigene Gestaltung mit einem Narrativ zu begleiten, also zu erzählen, warum sieht das so aus, wo hab ich das hergeholt.“
Wie redet man über das, was man gestaltet hat? Wie lernt man zu erklären, wo die Dinge herkommen?
J: Ich finde, dass gerade die Gespräche in den Sitzungen den größten Lerneffekt haben. Wir machen gar nicht so viele praktische Dinge vor Ort, sondern die Studierenden präsentieren ihre Aufgaben und sollen sie erklären, sollen ihre Entscheidungen darlegen. Warum haben sie es gemacht, wie sie es gemacht haben? Das ist am Anfang noch ein bisschen zäh, aber da entwickeln alle schnell eine Routine. Das Nächste ist dann, auch Dinge zu benennen, die ihnen an der Arbeit der anderen Teilnehmer auffallen. Irgendwann tauschen sie sich dann alle gern miteinander aus.
C: Diesen Prozess begleiten wir als Moderatoren. Es ist toll zu sehen, wie schnell die Teilnehmer sich entwickeln, über das sprechen zu können, was sie sehen. Qualitative Urteile zu fällen, ist natürlich noch schwierig. Am einfachsten ist das noch da, wo man die Gestaltung an eine Funktion gekoppelt hat, also z.B. einen möglichst leserlichen Text zu gestalten. Da kann man auch über die Faktoren sprechen, die den einen mehr, den anderen weniger leserlich machen.
J: Bei konzeptionellen Entscheidungen ist das subjektiver. Was hilft, ist die eigene Gestaltung mit einem Narrativ zu begleiten, also zu erzählen, warum sieht das so aus, wo hab ich das hergeholt. Eine gute Herleitung hilft enorm.
C: Wir möchten den Studierenden vermitteln, dass eine Lösung, die gut hergeleitet ist, also ein guter konzeptioneller Ansatz, der erklärt und begründet, fast immer stärker ist, als ein Zufallsprodukt, das gerade nur schön aussieht. Und hergeleitet kann man Entwürfe auch qualitativ besser beurteilen.
J: Wir haben nach einem Pitch schon mal die Rückmeldung bekommen, der Entwurf der Mitbewerber wären stark, aber unsere wäre einfach stimmiger erzählt, die Herleitung war schlüssiger. Ich glaube das ist es: Wenn du deinem Gegenüber erklären kannst, wo all dass was man da sieht herkommt.
Wie lernt man zu argumentieren, ohne dass es am Ende nur um „Geschmacksfragen“ geht?
J: Unser Beruf hat zwangsläufig eine subjektive Komponente. Ich bringe immer mich selbst, mein Wissen, meine Haltung in einen Entwurf ein. Es geht also schon immer wieder um Geschmacksfragen. Ob man die dann im „Verkaufsgespräch“ thematisieren muss ist aber die Frage. Ich denke, du musst nicht nur lernen, was du erzählen willst – was bei einem guten Entwurf immer eine Menge ist – sondern auch, was du verschweigen kannst.
C: Wir überlegen uns außerdem Aufgabenstellungen, die bestimmte Herleitungen ermöglichen. Z.B. typografische Aufgaben, in denen man eine Schrift präsentieren muss. Die Schrift kommt aus einer bestimmten Zeit und hat bestimmte Eigenschaften und liefert dann Argumente, wie man sie präsentieren kann. So wird erkennbar, ob die Studierenden sich damit auseinandergesetzt haben, es auch grafisch umsetzen und am Ende argumentieren können. Und dann sehen eigentlich alle, die sich damit befasst haben, die Stärken und Schwachstellen. Die Aufgaben haben also oft einen theoretischen Unterbau, den wir in den Kursen besprochen haben, und so kann man überprüfen, ob alles angekommen ist.
„Man sieht nur, was man weiß.“ Die menschliche Wahrnehmung arbeitet ungenau, ergänzt Dinge, die nicht da sind und lässt Dinge weg, die sie nicht kennt.
Wie können Studierende diese Erkenntnis-Beschränkung überwinden? Zumal sie ja später Dinge sehen müssen, BEVOR sie da sind, um sie zu entwerfen.
C: Der erste Schritt ist das Sehen lernen. Das üben wir, indem wir uns Sachen ganz in Ruhe ansehen. Das machen wir glaube ich alle viel zu selten. Weil wir so zugeballert werden mit all dem, was wir uns anschauen sollen bei Instagram oder sonst wo. Wir fragen die Teilnehmer also: Was habt ihr diese Woche gesehen, das euch wirklich in Erinnerung geblieben ist? So schaffen wir ein Bewusstsein sich Grafikdesign im Alltag anzuschauen und darüber zu sprechen. Warum seid ihr gerade da hängen geblieben, was seht ihr denn da? Was macht das mit Euch? Den Denkprozess starten. Je mehr sie sich damit auseinandersetzen, desto mehr sehen sie. Eine Aufgabe ist z.B: Bringt bitte ein Plakat aus dem Stadtraum mit, das euch gefällt. Oder wir sagen, schaut doch mal, wo ihr überall Klebebuchstaben findet und bringt Fotos davon mit. Das sind banal klingende Sehaufgaben, die aber den Blick für Design schärfen, das im Alltagsfluss meist einfach untergeht.
J: Darum geht es: Diese Dinge zu sehen und einschätzen zu lernen. Dazu gehören natürlich auch die Fragen, was denn eigentlich neu ist und was schon lang da? Was hat man noch nie gesehen oder ist nur gewohnt, es zu übersehen? Das Zerkauen der schon-da-gewesenen Dinge und die Vielfalt zu entdecken, das ist sicher der Kern des Studiums. Der wichtigste Moment ist vielleicht, dass es irgendwann Klick macht und du Lust hast, dir diese ganzen Dinge anzueignen, sie zu durchdringen, um sie dann in deiner Gestaltung anwenden zu können.
C: Den Trend von morgen aufzuspüren, das geht nur mit dem Blick in die Vergangenheit. Von da aus kann man dann ganz gut den Blick in die Zukunft wagen.
Ihr möchtet mit dem Grundlagenkurs Türen für die Studierenden öffnen und in bestimmte Richtungen weisen.
C: Wir versuchen, das Sehen zu lehren und zu zeigen, welche Ansätze es schon gab, um ihnen so einen Überblick zu erlauben. Darüber hinaus besprechen wir auch aktuelle Designer oder erfolgreiche Büros oder aktuelle Entwicklungen in der Kunst und im Design. Denn um Design gut zu machen, muss man sich permanent mit all den unterschiedlichen Aspekten des Felds beschäftigen. Das kann man auch nicht in ein paar Semestern abarbeiten und hat es irgendwann einfach parat, sondern dieser Lernprozess läuft immer weiter.
Ihr habt gesagt, eure Aufgabe sei es auch, Interesse für den Beruf zu wecken. Ist Interesse am Beruf nicht Voraussetzung, so ein Studium zu beginnen?
J(lacht): Ich weiß ja nicht, wie du damals dein Studienfach oder deine Ausbildung ausgesucht hast….Mit Interesse wecken ist eigentlich gemeint, dass unser Berufsfeld extrem kleinteilig sein kann. Deshalb meinten wir mit "Interesse wecken“, die einzelnen Bereiche innerhalb des Feldes kennenzulernen. Wir animieren die Studierenden sich zu beobachten: Welches Thema holt mich ab? Wo bin ich mit dem Herzen dabei, in welchen Bereich will ich richtig einsteigen?
C: Eine Grundfrage ist: Wollt ihr nach dem Studium eher in die Werbung gehen oder Design machen? Vielen ist gar nicht bewusst, dass es da einen Unterschied gibt. Da mehr Übersicht zu schaffen und helfen, den eigenen Bereich zu finden, das ist auch unsere Aufgabe. Mein Vorbild ist ein Professor, der uns damals immer wieder neue Aspekte aufzeigte und erklärt hat, was es alles gibt, der immer neue Impulse gesetzt und dieses spannende Feld, das permanent in Bewegung ist, für uns abgesteckt hat. Wir können sowieso nicht alles liefern oder gar alles wissen. Insofern müssen die Studierenden sich von einzelnen Bereichen oder Stilen begeistern lassen. Und wenn man etwas Packendes entdeckt, dann eben selbst tiefer reingehen und sich das erarbeiten.
J: Welche Leute sind denn gut und erfolgreich in ihrem Job? Meist diejenigen, die sich grundlegend für ihre Arbeit interessieren und bei denen dieses Interesse aus ihnen selbst wächst, eben Leute, die ihre Arbeit nicht als 9to5 Job begreifen - auch wenn ich jedem gönne, pünktlich Feierabend zu machen. Klar muss ich mir auch Sachen anschauen, die nichts mit dem Job zu tun haben - wobei man auch mit einer Dose Bier am Kanal wieder über Gestaltung reden kann, weil die natürlich gestaltet ist.
So ein Programm wie Midjourney oder Googles Bild-KI Imagen - was könnte Künstliche Intelligenz im Design verändern? Ist KI bald eine Grundlage der Gestaltung oder wird es DIE Grundlage der Gestaltung?
J: Ich denke, dass solche oder ähnlich KI-Anwendungen in Zukunft zu alltäglichen Werkzeugen für jede Gestalterin und jeden Gestalter werden. Aber eben auch nur dazu: einem weiteren Werkzeug in unserem Repertoire. Die genannten Beispiele visualisieren Ideen - noch haben sie selbst keine. Eine Designerin oder ein Designer sagen also immer noch „Wir brauchen diese oder jenes Visual für diese oder jene Aufgabe.“ Und auch die Auswahl des dann passenden Motivs bleibt ja ihre Entscheidung.
Für die Grundlagenausbildung ist das natürlich total spannend. Wir haben ja über den Entwurfsprozess gesprochen. Formfindung durch Wiederholung usw. Das lässt sich perfekt an so eine Maschine outsourcen. Vielleicht wird also der Schwerpunkt schneller auf die Ideenfindung, die Konzeption gelegt. Ohne das Wissen um die formalen Qualitäten eines Entwurfs, und das Vokabular, um diese zu beschreiben, wird es aber natürlich nicht gehen.
C: KI wird unsere Arbeit total verändern. Ich glaube, für uns wird es dadurch noch noch wichtiger, Problemen zu erkennen und Kontakt mit den Kunden zu halten. Das gestaltete Produkt - wie auch immer es entstanden ist - werden nämlich weiter wir vermitteln und verkaufen. Deshalb ist Kommunikation, also herleiten, erklären können und begründen eine so wichtige Fertigkeit in dem Beruf. Wir erkennen die Probleme und die Muster und haben gelernt, die passenden Lösungen für die gestellte Aufgabe zu sehen. Ob KI oder Mensch: Irgendjemand muss entscheiden, ob der Entwurf gut ist ist, ob er passt, ob er die richtige Lösung für die gestalterische Aufgabe ist und das dann dem Kunden vermitteln.
J: Und damit sind wir wieder am Anfang unseres Gesprächs und der Frage „Warum sind Grundlagen wichtig?“ Antwort: Weil es die Grundlagen sind! Für die Arbeit.
Danke Caro und Jonas für das Gespräch.
Eine gute Erklärung
hilft gutem Design
Caroline Villis und Jonas Herfurth unterrichten an der FH-Dortmund am Fachbereich Design die Grundlagen des Kommunikationsdesigns. Im Interview berichten sie, warum für Studierende gerade die intensive Beschäftigung mit den Grundlagen die Voraussetzung für wirklich eigenständige und gut durchdachte Projekte ist. Sie erklären, wie aus Spezialisten Generalisten werden und warum über seine Arbeit tiefgründig sprechen zu können, genauso wichtig ist wie der Entwurf selbst. Außerdem, warum manchmal am Fließband zu entwerfen besser als viel Nachdenken oder warum Deadline-Druck genauso dienlich wie überausreichend Zeit sein kann.
Caroline und Jonas sind Mitgründer des Ten Ten Teams, das in Dortmund Designlösungen mit Auftraggebern aus Kultur und Wirtschaft kreiert. Sie planen, konzipieren und realisieren komplexe Projekte im Spannungsfeld zwischen Information und Emotion – immer mit höchstem Anspruch an Inhalt und Form.
Aus Nullnummer #3
Zeitung des Fachbereichs Design der Fachhochschule Dortmund
2022/23
Caroline Villis und Jonas Herfurth
Interview: Christian Caravante
Zählt noch bitte auf, mit welchen Grundlagenthemen ihr Euch im Kurs beschäftigt.
Caroline Villis: Typografie und Bild-Text Komposition.
Jonas Herfurth: Die Komposition - also verschiedene Elemente zu einander anordnen und ihre visuellen Eigenschaften und Wechselwirkung erfassen. Harmonie, Kontrast durch Formensprache, Größe, Abstände, die richtige Position …
Wie zeigt man Studierenden, dass es auf jedes Detail ankommt und gleichzeitig eine Vielzahl möglicher Antworten existiert?
J: Ein erster Aha-Moment ist oft eine Übung, die ich gleich in der ersten Woche mache: sie sollen eine quadratische Fläche in drei Teile zerlegen. Auch wenn es profan klingt - die Studierenden erkennen schnell die schier unendliche Anzahl möglicher Antworten zu der Aufgabenstellung. Und über jede kann man sehr lang sprechen, wenn man will. Das ist der Aha-Moment: In so wenig steckt schon sehr viel.
C: Bei den typografischen Grundlagen mache ich eine ähnliche Übung. Da sollen die Studierenden beim Wort TYPOGRAFIE die Abstände zwischen den Buchstaben optimieren. Das wird erstmal belächelt. Aber wenn sie dann die 15 bis 35 Versionen ausgedruckt vor sich sehen und wir die besprechen, erkenne sie die vielen Details und Variationen und dass man Entscheidungen treffen muss, die überhaupt nicht leicht sind. Solche Übungen öffnen ihnen die Augen. Denn es gibt immer sehr viele Lösungen für dieselbe Aufgabenstellung.
Welchen Bereiche der Grundlagen seht ihr besonders im Bewegung im Moment?
C: Ich glaube die klassischen Grundlagen, Typografie, Rhythmus und Proportionen, Gestaltungsmuster, Kontraste usw. - sind nicht so stark im Wandel. Aber die Anwendung dieser Grundlagen ist in permanenter Veränderung und stark abhängig von Medium und Technik. Um es richtig umzusetzen, muss man das Ganze erstmal sehen und dann begreifen lernen. Wir veranstalten deshalb eine Art Grafikdesign Sehschule.
J: Es gibt ein tradiertes Regelwerk. Das muss man sich zunächst erarbeiten, um dann in einem zweiten Schritt über die Bewältigung von konkreten Gestaltungsaufgaben zu sprechen. Erst muss man die Regeln kennen, anwenden lernen und verstehen, wie was wirkt, bevor man es anders macht. Und wenn man es dann anders macht, muss die Frage nach dem Warum auch erlaubt sein.
C: Gerade die Typografie hat ein recht festes Regelwerk. Ich erkläre in meiner Kursbeschreibung, dass man diese Regeln eben erstmal kennen muss, um sie brechen zu können. Aber die Ideen finden trotz der Freiheit, Regeln auch zu brechen, zu Beginn innerhalb dieses Regelrahmens statt.
„Um es richtig umzusetzen, muss man das Ganze erstmal sehen und dann begreifen lernen. Wir veranstalten deshalb eine Art Grafikdesign Sehschule.“
Ihr wollt die Studierenden fit machen für die kommenden Semester und ihnen positive Erfahrungen ermöglichen. Wie macht ihr das?
J: Positiv wirkt immer ein echtes Ergebnis ihres Nachdenkens und dessen Umsetzung im Kurs. Wir versuchen deshalb, die Arbeit in ein echtes Medium zu überführen: Letztes Jahr haben wir ein Buch, also ein komplettes Produkt, gemacht. Und im besten Fall kombinieren wir das mit einer Ausstellung. Da wird’s dann ernst und das Ganze bekommt noch eine andere Wertigkeit. Die Studierenden erkennen: Was du machst, wird gesehen.
C: Viele Studierende haben durch die Ausstellung und das Buchprojekt zum ersten mal ein direktes Feedback auf ihre Arbeiten bekommen. Wir glauben, dass es ihnen viel Spaß gemacht hat, zeigen zu können, dass sie hinter ihrer Arbeit stehen. Wir Designer und Designerinnen machen unsere Arbeit ja im besten Fall für ein Publikum und wollen zeigen, was wir uns überlegt haben.
Neben den fachlichen Grundlagen, womit sollten sich Studierende beschäftigen, um die passende Antworten auf ein Gestaltungsprojekt zu finden?
C: Als allererstes muss man sich intensiv mit dem eigenen Berufsfeld beschäftigen, weil das schon so vielfältig ist. Dann muss man sich mit dem beschäftigen, was aktuell dort passiert, aber auch, was es schon alles gab. Zum Glück hat das Fach eine recht kurze Historie, die man gut recherchieren und sich erarbeiten kann. Und dazu muss man sich auch mit Kunst, Musik, Architektur, Mode oder Produktdesign beschäftigen, je nachdem, welches Berufsfeld man anstrebt. Kurz gesagt: Mit offenen Augen durchs Leben gehen und alles mitnehmen, was um einen herum passiert.
J: Ein guter Designer oder eine gute Designerin ist im Grunde ein Generalist, mit Einblick in viele Disziplinen und Themen und einem guten Überblick über das Zeitgeschehen. Daraus holt man Inspiration und Gestaltungsansätze. Hier entsteht die eigene Haltung! Und in der Annahme, dass wir Generalisten sind, steckt auch auch die Struktur unserer Seminare - in denen wir die Studierenden trotzdem zunächst zu Spezialisten machen: Spezialisten für visuelles Kommunizieren. Dafür fokussieren wir den Blick erstmal eng auf die Grundlagen, also Form, Flächen, Proportionen, Typografie usw. Danach kann man wieder aufmachen, den Blick erweitern und die bereits vorhandenen Erfahrungen und Interessen der Studierenden in Projekte einfliessen lassen.
„Wir wollen den Studierenden Techniken beibringen, die unterschiedliche Wege der Lösung ermöglichen, also unterschiedliche Methoden der Formfindung.“
Wie lernen die Studierenden, auf eigene Ideen zu kommen?
J: Ich entwickle z.B. Aufgabenstellungen, die man regelbezogen beantworten kann oder in der Besprechung auf jeden Fall mit den erlernten Regeln herleiten kann. Andere Aufgaben zielen eher darauf, Dinge konzeptionell zu beantworten. Also Ideenfindung zu betreiben. Ganz oft geht es um Wiederholung, also dass man auf eine Frage, mehrere unterschiedliche Antworten entwickelt, um dann zu sagen, das ist jetzt das Beste. Wir wollen den Studierenden Techniken beibringen, die unterschiedliche Wege der Lösung ermöglichen, also unterschiedliche Methoden der Formfindung.
Ihr habt gesagt, „Nachdenken ist wichtig, aber nur als „Vorstufe“, die meisten Antworten würden im Prozess selbst liegen. Wie lernen die Studierenden ins Machen zu kommen?
J: Indem wir Quantität einfordern!
C: Vielen Studierenden muss man am Anfang sagen: So mach mal hier zehn Seiten, also viele kleine Schritte, um eine Lösung zu finden. Das hilft besonders denen, die sich über zu lange Zeit an einer Sache festdenken und nicht weiterkommen. Das kann man auch sehr gut als Fingerübung im Kurs machen, die man so oft wiederholt, bis das Machen lockerer wird. Sie finden die Lösung also, indem sie unterschiedliche Arbeitsmethoden ausprobieren.
Ist Kreativität unter Druck effizienter? Oder Gelassenheit und viel Zeit zum Ausprobieren und Nachdenken?
J: Das geht Hand in Hand. Gute Gestaltung braucht Zeit, aber das heißt nicht, dass man kontinuierlich an einer Sache arbeitet. Manches lasse ich auch bewusst eine Weile liegen, um mit frischem Blick wieder draufschauen zu können. Das kann man sich allerdings während des Studiums besser erlauben als im Berufsleben. Ich bin trotzdem deutlich effektiver, wenn die Uhr tickt. Das hilft mir, Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, ich bin da nicht kreativer, sondern ich mach einfach den Sack irgendwann zu.
C: Man muss bei den Studierenden ein Bewusstsein für Zeitmanagement schaffen, und ihnen sagen: ihr habt da jetzt wirklich viel Zeit. Und bei einer anderen Aufgabe, wird es dagegen sportlich. Unserer Erfahrung nach hilft es, am Anfang den Zeitplan ganz klar vorzugeben und erst am Ende des Semesters ein bisschen mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Wenn man die Zeitvorgaben abrupt freigibt und nicht allmählich zurückbaut, kommen einige ganz schön ins Schleudern. Ohne ein Bewusstsein für die privilegierte Situation während des Studiums, können sie die Zeit gar nicht nutzen lernen oder ein eigenes Zeitmanagement entwicklen.
„Was hilft, ist die eigene Gestaltung mit einem Narrativ zu begleiten, also zu erzählen, warum sieht das so aus, wo hab ich das hergeholt.“
Wie redet man über das, was man gestaltet hat? Wie lernt man zu erklären, wo die Dinge herkommen?
J: Ich finde, dass gerade die Gespräche in den Sitzungen den größten Lerneffekt haben. Wir machen gar nicht so viele praktische Dinge vor Ort, sondern die Studierenden präsentieren ihre Aufgaben und sollen sie erklären, sollen ihre Entscheidungen darlegen. Warum haben sie es gemacht, wie sie es gemacht haben? Das ist am Anfang noch ein bisschen zäh, aber da entwickeln alle schnell eine Routine. Das Nächste ist dann, auch Dinge zu benennen, die ihnen an der Arbeit der anderen Teilnehmer auffallen. Irgendwann tauschen sie sich dann alle gern miteinander aus.
C: Diesen Prozess begleiten wir als Moderatoren. Es ist toll zu sehen, wie schnell die Teilnehmer sich entwickeln, über das sprechen zu können, was sie sehen. Qualitative Urteile zu fällen, ist natürlich noch schwierig. Am einfachsten ist das noch da, wo man die Gestaltung an eine Funktion gekoppelt hat, also z.B. einen möglichst leserlichen Text zu gestalten. Da kann man auch über die Faktoren sprechen, die den einen mehr, den anderen weniger leserlich machen.
J: Bei konzeptionellen Entscheidungen ist das subjektiver. Was hilft, ist die eigene Gestaltung mit einem Narrativ zu begleiten, also zu erzählen, warum sieht das so aus, wo hab ich das hergeholt. Eine gute Herleitung hilft enorm.
C: Wir möchten den Studierenden vermitteln, dass eine Lösung, die gut hergeleitet ist, also ein guter konzeptioneller Ansatz, der erklärt und begründet, fast immer stärker ist, als ein Zufallsprodukt, das gerade nur schön aussieht. Und hergeleitet kann man Entwürfe auch qualitativ besser beurteilen.
J: Wir haben nach einem Pitch schon mal die Rückmeldung bekommen, der Entwurf der Mitbewerber wären stark, aber unsere wäre einfach stimmiger erzählt, die Herleitung war schlüssiger. Ich glaube das ist es: Wenn du deinem Gegenüber erklären kannst, wo all dass was man da sieht herkommt.
Wie lernt man zu argumentieren, ohne dass es am Ende nur um „Geschmacksfragen“ geht?
J: Unser Beruf hat zwangsläufig eine subjektive Komponente. Ich bringe immer mich selbst, mein Wissen, meine Haltung in einen Entwurf ein. Es geht also schon immer wieder um Geschmacksfragen. Ob man die dann im „Verkaufsgespräch“ thematisieren muss ist aber die Frage. Ich denke, du musst nicht nur lernen, was du erzählen willst – was bei einem guten Entwurf immer eine Menge ist – sondern auch, was du verschweigen kannst.
C: Wir überlegen uns außerdem Aufgabenstellungen, die bestimmte Herleitungen ermöglichen. Z.B. typografische Aufgaben, in denen man eine Schrift präsentieren muss. Die Schrift kommt aus einer bestimmten Zeit und hat bestimmte Eigenschaften und liefert dann Argumente, wie man sie präsentieren kann. So wird erkennbar, ob die Studierenden sich damit auseinandergesetzt haben, es auch grafisch umsetzen und am Ende argumentieren können. Und dann sehen eigentlich alle, die sich damit befasst haben, die Stärken und Schwachstellen. Die Aufgaben haben also oft einen theoretischen Unterbau, den wir in den Kursen besprochen haben, und so kann man überprüfen, ob alles angekommen ist.
„Man sieht nur, was man weiß.“ Die menschliche Wahrnehmung arbeitet ungenau, ergänzt Dinge, die nicht da sind und lässt Dinge weg, die sie nicht kennt.
Wie können Studierende diese Erkenntnis-Beschränkung überwinden? Zumal sie ja später Dinge sehen müssen, BEVOR sie da sind, um sie zu entwerfen.
C: Der erste Schritt ist das Sehen lernen. Das üben wir, indem wir uns Sachen ganz in Ruhe ansehen. Das machen wir glaube ich alle viel zu selten. Weil wir so zugeballert werden mit all dem, was wir uns anschauen sollen bei Instagram oder sonst wo. Wir fragen die Teilnehmer also: Was habt ihr diese Woche gesehen, das euch wirklich in Erinnerung geblieben ist? So schaffen wir ein Bewusstsein sich Grafikdesign im Alltag anzuschauen und darüber zu sprechen. Warum seid ihr gerade da hängen geblieben, was seht ihr denn da? Was macht das mit Euch? Den Denkprozess starten. Je mehr sie sich damit auseinandersetzen, desto mehr sehen sie. Eine Aufgabe ist z.B: Bringt bitte ein Plakat aus dem Stadtraum mit, das euch gefällt. Oder wir sagen, schaut doch mal, wo ihr überall Klebebuchstaben findet und bringt Fotos davon mit. Das sind banal klingende Sehaufgaben, die aber den Blick für Design schärfen, das im Alltagsfluss meist einfach untergeht.
J: Darum geht es: Diese Dinge zu sehen und einschätzen zu lernen. Dazu gehören natürlich auch die Fragen, was denn eigentlich neu ist und was schon lang da? Was hat man noch nie gesehen oder ist nur gewohnt, es zu übersehen? Das Zerkauen der schon-da-gewesenen Dinge und die Vielfalt zu entdecken, das ist sicher der Kern des Studiums. Der wichtigste Moment ist vielleicht, dass es irgendwann Klick macht und du Lust hast, dir diese ganzen Dinge anzueignen, sie zu durchdringen, um sie dann in deiner Gestaltung anwenden zu können.
C: Den Trend von morgen aufzuspüren, das geht nur mit dem Blick in die Vergangenheit. Von da aus kann man dann ganz gut den Blick in die Zukunft wagen.
Ihr möchtet mit dem Grundlagenkurs Türen für die Studierenden öffnen und in bestimmte Richtungen weisen.
C: Wir versuchen, das Sehen zu lehren und zu zeigen, welche Ansätze es schon gab, um ihnen so einen Überblick zu erlauben. Darüber hinaus besprechen wir auch aktuelle Designer oder erfolgreiche Büros oder aktuelle Entwicklungen in der Kunst und im Design. Denn um Design gut zu machen, muss man sich permanent mit all den unterschiedlichen Aspekten des Felds beschäftigen. Das kann man auch nicht in ein paar Semestern abarbeiten und hat es irgendwann einfach parat, sondern dieser Lernprozess läuft immer weiter.
Ihr habt gesagt, eure Aufgabe sei es auch, Interesse für den Beruf zu wecken. Ist Interesse am Beruf nicht Voraussetzung, so ein Studium zu beginnen?
J(lacht): Ich weiß ja nicht, wie du damals dein Studienfach oder deine Ausbildung ausgesucht hast….Mit Interesse wecken ist eigentlich gemeint, dass unser Berufsfeld extrem kleinteilig sein kann. Deshalb meinten wir mit "Interesse wecken“, die einzelnen Bereiche innerhalb des Feldes kennenzulernen. Wir animieren die Studierenden sich zu beobachten: Welches Thema holt mich ab? Wo bin ich mit dem Herzen dabei, in welchen Bereich will ich richtig einsteigen?
C: Eine Grundfrage ist: Wollt ihr nach dem Studium eher in die Werbung gehen oder Design machen? Vielen ist gar nicht bewusst, dass es da einen Unterschied gibt. Da mehr Übersicht zu schaffen und helfen, den eigenen Bereich zu finden, das ist auch unsere Aufgabe. Mein Vorbild ist ein Professor, der uns damals immer wieder neue Aspekte aufzeigte und erklärt hat, was es alles gibt, der immer neue Impulse gesetzt und dieses spannende Feld, das permanent in Bewegung ist, für uns abgesteckt hat. Wir können sowieso nicht alles liefern oder gar alles wissen. Insofern müssen die Studierenden sich von einzelnen Bereichen oder Stilen begeistern lassen. Und wenn man etwas Packendes entdeckt, dann eben selbst tiefer reingehen und sich das erarbeiten.
J: Welche Leute sind denn gut und erfolgreich in ihrem Job? Meist diejenigen, die sich grundlegend für ihre Arbeit interessieren und bei denen dieses Interesse aus ihnen selbst wächst, eben Leute, die ihre Arbeit nicht als 9to5 Job begreifen - auch wenn ich jedem gönne, pünktlich Feierabend zu machen. Klar muss ich mir auch Sachen anschauen, die nichts mit dem Job zu tun haben - wobei man auch mit einer Dose Bier am Kanal wieder über Gestaltung reden kann, weil die natürlich gestaltet ist.
So ein Programm wie Midjourney oder Googles Bild-KI Imagen - was könnte Künstliche Intelligenz im Design verändern? Ist KI bald eine Grundlage der Gestaltung oder wird es DIE Grundlage der Gestaltung?
J: Ich denke, dass solche oder ähnlich KI-Anwendungen in Zukunft zu alltäglichen Werkzeugen für jede Gestalterin und jeden Gestalter werden. Aber eben auch nur dazu: einem weiteren Werkzeug in unserem Repertoire. Die genannten Beispiele visualisieren Ideen - noch haben sie selbst keine. Eine Designerin oder ein Designer sagen also immer noch „Wir brauchen diese oder jenes Visual für diese oder jene Aufgabe.“ Und auch die Auswahl des dann passenden Motivs bleibt ja ihre Entscheidung.
Für die Grundlagenausbildung ist das natürlich total spannend. Wir haben ja über den Entwurfsprozess gesprochen. Formfindung durch Wiederholung usw. Das lässt sich perfekt an so eine Maschine outsourcen. Vielleicht wird also der Schwerpunkt schneller auf die Ideenfindung, die Konzeption gelegt. Ohne das Wissen um die formalen Qualitäten eines Entwurfs, und das Vokabular, um diese zu beschreiben, wird es aber natürlich nicht gehen.
C: KI wird unsere Arbeit total verändern. Ich glaube, für uns wird es dadurch noch noch wichtiger, Problemen zu erkennen und Kontakt mit den Kunden zu halten. Das gestaltete Produkt - wie auch immer es entstanden ist - werden nämlich weiter wir vermitteln und verkaufen. Deshalb ist Kommunikation, also herleiten, erklären können und begründen eine so wichtige Fertigkeit in dem Beruf. Wir erkennen die Probleme und die Muster und haben gelernt, die passenden Lösungen für die gestellte Aufgabe zu sehen. Ob KI oder Mensch: Irgendjemand muss entscheiden, ob der Entwurf gut ist ist, ob er passt, ob er die richtige Lösung für die gestalterische Aufgabe ist und das dann dem Kunden vermitteln.
J: Und damit sind wir wieder am Anfang unseres Gesprächs und der Frage „Warum sind Grundlagen wichtig?“ Antwort: Weil es die Grundlagen sind! Für die Arbeit.
Danke Caro und Jonas für das Gespräch.
Ten Ten Team:
Design Studio
info@tenten.team
+49 (0)231 86427166
Rosa-Buchthal-Straße 79
44135 Dortmund